Die Kultur der Aborigines verstehen
Eine Reise nach Australien ohne Begegnungen mit der Kultur der Aborigines ist wie ein Trip nach Bondi ohne Surfbrett. Oder wie eine Reise durchs Outback ohne ein Känguru zu sehen.
Von zentralen Zielen wie Sydney über Zentralaustralien bis hin zur roten Erde der Kimberley Region warten die Ureinwohner im ganzen Land darauf, ihre Geschichten zu erzählen und den tieferen Sinn ihrer Kultur und Lebensweise mit Ihnen zu teilen.
„Reisende aus dem Ausland wollen bei einem Besuch vorrangig die Kultur der Aborigines erleben“, sagt Buffy Warlapinni, Reiseleiter von SeaLink – Tiwi by Design. „Die Leute beginnen, sich mehr für unsere Kultur zu interessieren.“
Die Kultur der Aborigines ist mehr als 50.000 Jahre alt. Sie existierte lange vor Stonehenge, den Pyramiden und der Akropolis. Es ist wirklich erstaunlich, dass diese Kultur noch heute erlebbar ist.
Und wer könnte Ihnen die älteste kontinuierlich gelebte Kultur der Welt besser vorstellen als jemand, der sie jeden Tag lebt, atmet und träumt, ein Aborigine-Reiseleiter der ersten Völker Australiens, der diesen riesigen Kontinent seine Heimat nennt.
„Die Kultur der Aborigines beginnt bei ihren Menschen. Aborigine-Führer öffnen die Tür zu einer Welt, von der viele Menschen nicht wissen, dass sie noch existiert. Eine Welt, in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft aufeinandertreffen. Es gibt nichts Spannenderes für einen Reisenden als eine völlig neue Erfahrung. Aus solchen Erlebnissen entstehen unvergessliche Erinnerungen.“
- Dr. Aden Ridgeway, Gumbaynggirr-Aborigine und ehemaliger Vorsitzender von Indigenous Tourism Australia
Wer sind die indigenen Völker Australiens?
Die indigenen Völker Australiens leben seit Zehntausenden von Jahren auf dem riesigen Kontinent. Sie sind die älteste lebende Kultur der Welt. Ihre einzigartige Identität und ihr einzigartiger Geist existieren seit jeher im ganzen Land.
Während die Begriffe „Aborigine“ oder „indigen“ zur Beschreibung der ersten Völker Australiens verwendet werden, sehen diese das anders. „Wir sind eins, wir unterscheiden uns und wir sind viele“, sagt Dr. Ridgeway.
Die indigenen Einwohner der Torres Strait Islands, die Teil des Staates Queensland sind, unterscheiden sich von den indigenen Einwohnern des australischen und tasmanischen Festlandes.
Die Torres Strait Islanders kommen von den Inseln in der Torres Strait zwischen der Spitze von Cape York in Queensland und Papua-Neuguinea. Sie teilen viele kulturelle Gemeinsamkeiten mit den Menschen in Papua-Neuguinea und der Pazifik-Region.
Derzeit stellen die Völker der Aborigines und der Torres Strait Islander weniger als vier Prozent der australischen Bevölkerung. Eine Interaktion mit den ersten Völkern Australiens in Alltagssituationen ist für die meisten Besucher nicht selbstverständlich.
Zwei Flaggen repräsentieren die Völker der Aborigines und der Torres Strait Islander. Die Flagge der Aborigines, die 1971 vom Künstler Harold Thomas entworfen wurde, ist in drei Farben unterteilt. Schwarz steht für das Aborigine-Volk, der gelbe Kreis symbolisiert die Sonne, Rot steht für die Erde, den roten Ocker, der bei Zeremonien verwendet wird, und die spirituelle Beziehung der Aborigines zu ihrem Land.
Die Flagge der Torres Strait Islander wurde vom verstorbenen Bernard Namok entworfen und 1992 offiziell eingeführt. Sie besteht aus drei horizontalen Streifen, grün (für das Land) oben und unten und blau (für das Meer) dazwischen. Die Streifen sind durch dünne schwarze Linien voneinander getrennt. Sie stellen die Völker der Torres Strait Islander dar. Ein weißer Dhari (traditioneller Kopfschmuck der Torres Strait Islander) befindet sich in der Mitte. Der fünfzackige weiße Stern darunter ist ein Symbol für den Frieden, die fünf Inselgruppen innerhalb der Torres Strait und die wichtige Rolle der Sterne für die Seefahrer.
„Eins mit dem Land sein“
Die Kultur der Aborigines ist holistisch. Sie definiert sich durch ihre Verbindung zur Familie, zur Gemeinschaft und zum Land. In Australien steht die Idee „eins mit dem Land sein“ im Mittelpunkt der Weltanschauung der Aborigines.
Das Land (oder die Heimat) ist das, was die Aborigines definiert. Aborigines an der Küste bezeichnen sich selbst als „Saltwater People“, in Flussgebieten als „Freshwater People“ und in zentralen Trockengebieten als „Desert People“.
„Das Land ist nicht nur ein schöner Ort, für uns bedeutet es alles“, sagt Juan Walker von Walkabout Cultural Adventures. „Es umfasst Geschichten, unsere Religion, unsere Bräuche und Vorfahren.“
Die Aborigines glauben, dass ihre angestammten Geister aus der Erde und aus dem Himmel stammen. Diese angestammten Wesen sind ihre Heldenschöpfer. Die Aborigines glauben, dass sie auf ihren Reisen alle Lebewesen erschaffen haben. Diese Schöpfungskräfte sind ständig präsent, daher die starke kulturelle Verbindung zwischen den Aborigines, der Natur und dem Ort.
„Dieses Land ist heilig. Es spürt die Menschen, die sich auf ihm befinden. Alle Lebewesen spüren die Menschen. Vor langer Zeit lebten die Vorfahren auf diesem Land. Die Aborigines haben noch immer das Gefühl, dass sie von den Vorfahren beobachtet werden. Das Wissen wird von den Vorfahren durch ihre DNA an die Aborigines weitergegeben. Die gleiche DNA existiert immer noch bei den Aborigines in ganz Australien.“
- Timmy „Djawa“ Burarrwanga aus Bawaka Homeland, East Arnhemland
Die einzigartige Weltanschauung der Aborigines
Eine solche vernetzte Perspektive unterscheidet sich radikal vom Westen, wo die Landschaft als getrennt vom menschlichen Leben, wie wir es kennen, betrachtet wird. In der Kultur der Aborigines verschmelzen die Menschen mit dem Land, sie sind Teil voneinander.
Genau deshalb kann das Reisen mit einem Aborigine-Führer ein transformatives Erlebnis sein. Es kann die Art und Weise, wie Sie mit dieser Welt verbunden sind, neu gestalten.
Ob es darum geht, den hellen Ockerstreifen auf der Stirn zu spüren oder mit einem Ältesten der Aborigines am Strand entlang zu gehen, der die Gezeiten daran ablesen kann, wie die Vögel rufen, die Aborigines zeigen Ihnen eine andere Seite Australiens.
„Die Kultur der Aborigines wird manchmal als sehr ernst und spirituell dargestellt“, so Dr. Ridgeway. „Trotz dieser bedeutenden Teile der Kultur sind Aborigines ziemlich bodenständig. Es ist die Mischung aus Praktischem und Humorvollem, die dem Ganzen seine Bedeutung gibt.“
Die Völker der Aborigines sind so voneinander getrennt wie die Menschen Europas oder Afrikas.
Das Land Australien ist so vielfältig wie seine ersten Völker. Vom schneebedeckten Mount Kosciuszko in New South Wales bis zum tropischen Regenwald im Norden Queenslands umfasst der Kontinent Wüsten-, gemäßigtes und tropisches Landschaftsklima. Australien wird oft als junges Land wahrgenommen. Schließlich wurde es erst 1788 von den Briten kolonisiert. Doch noch vor wenigen hundert Jahren existierten mehr als 350 verschiedene indigene soziale Gruppierungen, auch Nations genannt, mehr als dreimal so viele wie Länder in Europa und Afrika zusammen.
Während der Begriff Aborigines als Kollektiv für die Zivilisation und Gesellschaft der Aborigines verwendet wird, sind die Nations der Aborigines so vielfältig wie die Reiseerlebnisse, die sie bieten.
Jeder Teil Australiens gilt als Aborigine-Land. Die Aborigines sind durch spirituelle Verbindungen an ein bestimmtes Territorium gebunden. Sie verpflichten sich zur Fürsorge und Bewahrung der Familie, der Gemeinschaft, des überlieferten Wissens und der Natur. Ebenso haben die Torres Strait Islander ihre eigene Verbindung zu ihrer Heimatinsel.
„Jeder Mensch ist anders. Was ich Ihnen im Daintree Rainforest beibringe, ist eine Sache. In der Wüste zeigen Ihnen die Menschen dort etwas ganz anderes, eine ganz neue Sichtweise auf die Welt. Ihre Heimat bietet vollkommen andere Voraussetzungen. Daher ist es wirklich wichtig zu verstehen, dass Vielfalt ein wichtiger Teil der Aborigines in Australien ist“, so Juan Walker von Walkabout Cultural Adventures.
Aborigine-Sprachen, ‑Bräuche und „Welcome to Country“.
Während der frühen Kolonisationsperiode ab 1788, bekannt als die Zeit des „Ersten Kontakts“, gab es zwischen 350 und 750 verschiedene soziale Gruppierungen und eine ähnliche Anzahl von Sprachen in Australien. Die obige Karte zeigt die Vielfalt der Sprach‑, Stammes‑ und Nationengruppen der ersten Völker Australiens.
Trotz des Fehlens von Zäunen oder sichtbaren Grenzen hatten die Gruppen der Aborigines und der Torres Strait Islander klare Grenzen, die ihr Land von dem anderer Gruppen trennten. Die Tradition der Aborigines schreibt vor, dass Menschen bei der Einreise in ein neues Land willkommen geheißen werden.
Ein „Welcome to Country“ kann so einfach sein wie ein gesprochenes Wort, ein Lied oder eine Räucherzeremonie. Sie sagt dem Besucher eine sichere Durchreise und Schutz zu. Heute ist das „Welcome to Country“ zum festen Bestandteil des australischen Mainstream-Lebens geworden. Es ist ein Zeichen des Respekts für die dauerhafte Verbindung der Aborigines und Torres Strait Islander mit ihrem Land und dem Land, das heute als Australien bekannt ist.
Die Auswirkungen der Kolonialisierung dauern jedoch noch immer an. Viele der einst gesprochenen Sprachen sind heute gefährdet. Trotz vieler Programme zur Wiederbelebung der Sprachen in ganz Australien spüren die Aborigines diesen großen Verlust. Mit ihrer Widerstandsfähigkeit und ihrem Optimismus geht der starke Wunsch einher, ihre Geschichten und ihre Kultur mit nationalen und internationalen Besuchern zu teilen.
*Die obige Karte zielt darauf ab, die Sprach‑, Sozial‑ oder Völkergruppen der Aborigines in Australien darzustellen. Es werden die Standorte größerer Gruppierungen angezeigt, die Clans, Dialekte oder einzelne Sprachen in einer Gruppe beinhalten können. Es wurden Quellen von 1988-1994 verwendet. Genauigkeit ist nicht beabsichtigt und die Grenzen sind nicht eindeutig angegeben. Sie dient nicht als Grundlage für Native Title Claims und andere Landansprüche. David R. Horton (Urheber), © Aboriginal Studies Press, AIATSIS, 1996. Keine Vervielfältigung ohne Genehmigung. Um eine Druckversion zu kaufen, besuchen Sie: https://shop.aiatsis.gov.au/
Die Küche der Aborigines: Uralte Buschfrüchte für moderne Zeiten
Australiens Vielfalt bedeutet, dass eine große Auswahl an Lebensmitteln der Aborigines und Buschfrüchte erhältlich sind. Die Jahreszeiten folgen nicht immer dem traditionellen westlichen Kalender.
Auf den Tiwi Islands gibt es dreizehn Saisonschwankungen. Wurringawunari ist die Zeit der „Knock-em-Downs“, wenn die ersten trockenen Winde wehen. Milikitorinari ist die Zeit der „Hot Feet“, zu der in den Mangroven Essen gesammelt wird.
Durch die genaue Beobachtung der Natur und das Wissen, wann bestimmte Blumen blühen, Früchte reifen und Fische und Tiere mästen, haben die Ureinwohner gelernt, zehntausende von Jahren zu überleben. Es ist diese über Generationen überlieferte Weisheit, die die Verkostung von Buschfrüchten heute nicht nur zu einem kulinarischen Erlebnis, sondern zu einer kulturellen Zeitreise macht.
Aborigine-Reiseveranstalter bieten Besuchern viele Möglichkeiten, Fische zu fangen und sie frisch über offenen Kohlen zu kochen. Ebenso werden Möglichkeiten geschaffen, traditionelle Lebensmittel wie Salzbusch (ein Wüstenstrauch) und Kakadu-Pflaumen (eine Frucht, gefüllt mit Vitamin C und Antioxidantien) zu sammeln. Diese uralten Superfoods dienen den Aborigines seit mehr als 50.000 Jahren.
Sie müssen jedoch nicht zwangsweise in den Busch gehen, um die Buschfrüchte der Aborigines zu genießen. Die Aromen des Outbacks sind von den botanischen Gärten der Städte bis hin zu High-End-Restaurants zu finden. Wenn Sie lernen möchten, wie man Buschfrüchte erkennt oder einheimische Zutaten probieren möchten, die von Ihrem Reiseleiter zubereitet werden, nehmen Sie an einer dieser unglaublichen kulinarisch inspirierten Aborigine-Touren teil.